Was ist Lohnwucher? Wann ist die Arbeitsvergütung gesetzeswidrig niedrig?

Das neue Jahr hat begonnen und mit dem Einzug des Winters und erhöhter Energiepreise drängt sich für manchen Beschäftigten bei einem Blick auf seinen Lohnzettel die Frage auf, ob seine Arbeitsvergütung noch angemessen ist. Diese Frage stellt sich unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Mitarbeiter unter Berücksichtigung des Mindestlohnes vergütet. Fehlt jegliche Vergütungsabsprache, kommt § 612 BGB zum Zuge. Danach ist eine Vergütung als stillschweigend vereinbart anzusehen, wenn die Dienstleistung den Umständen nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Das trifft auf Arbeitsleistungen in der Regel zu, es sei denn, es handelt sich um Gefälligkeiten oder um eine ehrenamtliche Tätigkeit. Entsprechendes gilt für den Fall von Mehrarbeit. Auch diese ist grundsätzlich zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Im Übrigen ergibt sich ein Anspruch auf die sogenannte übliche Vergütung, wenn die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über das Arbeitsentgelt wegen Lohnwuchers nach § 138 BGB nichtig ist. Bereits mehrfach hat das Bundesarbeitsgericht als höchstes deutsches Arbeitsgericht entschieden, dass eine Vergütung sittenwidrig niedrig ist, wenn sie 2/3 des nach § 612 Abs. 2 BGB üblichen Entgelts unterschreitet. Aber auch eine höhere Quote kann unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot maßgeblich sein, wie erst kürzlich der 5. Senat des BAG entschieden hat (BAG, Urteil vom 19.08.2015 – 5 AZR 500/14 -). Streitig waren Vergütungsansprüche eines Lehrers in Sachsen an einer Privatschule. Das sächsische Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft bestimmt, dass Privatschulen eine Genehmigung zum Betrieb nur erteilt werden darf, wenn die Gehälter und Vergütungen bei entsprechenden Anforderungen nicht wesentlich hinter den Gehältern an vergleichbaren öffentlichen Schulen zurückbleiben und in regelmäßigen Zeitabschnitten gezahlt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Quote für das „nicht wesentliche Zurückbleiben“ auf 80 % festgesetzt und hat insoweit die 2/3-Quote hochgesetzt. Das Gericht ist der Auffassung, dass der Schutzzweck des Gesetzes eine diesen Anforderungen nicht genügende Vergütung verbietet. Verboten ist damit eine Vergütung, die weniger als 80 % der Vergütung einer Lehrkraft an einer vergleichbaren öffentlichen Schule beträgt. Demnach bleiben die Gehälter für Lehrer an Privatschulen hinter den Gehältern an vergleichbaren öffentlichen Schulen wesentlich zurück, wenn deren Vergütung weniger als 80 % der Vergütung einer Lehrkraft an einer vergleichbaren öffentlichen Schule beträgt. Insoweit bleibt festzuhalten, dass zumindest auch eine höhere Quote als die bisherige 2/3-Quote gegen das gesetzliche Verbot des Lohnwuchers verstoßen kann und damit nichtig ist. Im Zweifel sollten die Arbeitsvertragsparteien fachanwaltlichen Rat einholen, um Rechtssicherheit zu haben.

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Dr. Frank-Walter Hülsenbeck
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mediator
Tel. (0331) 620 30 60

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