Arbeitszeugnisse – Anspruch und Wirklichkeit/Dichtung und Wahrheit?

War es in der Vergangenheit so, dass der deutsche Tagesschaukonsument eher freudlose Nachrichten über die deutsche Wirtschaftslage und den Arbeitsmarkt zur Kenntnis nehmen mußte und sich nach entfernten Stränden aus den Auslandsnachrichten sehnte, hat sich das Bild nunmehr verkehrt. Der deutsche Arbeitsmarkt boomt, der Wirtschaft geht es gut und die ehemals so beliebten Urlaubsländer Türkei, Italien und Griechenland warten mit eher ernüchternden Nachrichten auf. Insoweit ist man als Arbeitnehmer gut beraten, die gute Konjunktur und die Zufriedenheit der Arbeitgeber zu nutzen, um sich bei seinem Arbeitgeber für einen Arbeitsplatzwechsel die eigenen guten Leistungen auch dokumentieren zu lassen. Das Mittel zum Zweck ist das Arbeitszeugnis. Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Die Erstellung einer Arbeitszeugnisses ist aufwendig und gehört somit nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Arbeitgeber. Insoweit ist es wichtig zu wissen, dass der Anspruch auf ein Zeugnis gesetzlich geregelt ist, und zwar an einer Stelle, wo man es nicht vermutet, in § 109 der Gewerbeordnung. Dort heißt es:

Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistungen und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

Das Zeugnis hat eine doppelte Funktion:
1.
Es dient dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Diesem wird mit dem Zeugnis ermöglicht, bei Bewerbungen um einen Arbeitsplatz seinen beruflichen Werdegang sowie persönliche und fachliche Befähigungen und Eignungen nachzuweisen. Die freie Wahl des Arbeitsplatzes wird erleichtert. Da der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht hat, verlangt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, dass das Zeugnis von „Wohlwollen“ getragen sein muss und somit auch keine versteckten Klauseln enthalten darf, die eine verdeckte Schmähkritik verbergen (etwa „stets bemüht“ o.ä.).
2.
Die weitere Funktion des Zeugnisses ist, dem neuen Arbeitgebe, der Arbeitskräfte sucht, mit dem Zeugnis Auswahlkriterien für die Stellenbesetzung an die Hand zu geben. Aus diesem Grunde muss ein Zeugnis wahr sein. Der Aussteller, also der bisherige Arbeitgeber bestätigt durch seine Unterschrift die Richtigkeit der im Arbeitszeugnis gemachten Angaben.

Einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis haben alle Arbeitnehmer, egal, ob sie geringfügig oder in Teilzeit beschäftigt werden und unabhängig davon, welche Tätigkeit sie ausüben, ob es eine reine Hilfstätigkeit ist oder die Tätigkeit als Chefarzt. Ob die Arbeit in Vollzeit oder in Teilzeit ausgeübt wird, als Haupt- oder Nebenberuf ist ebenso unbeachtlich, wie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis vielleicht bereits in der Probezeit beendet wird. Leitende Angestellte haben ebenso einen Anspruch auf ein Zeugnis wie Arbeitnehmer, die über keinen schriftlichen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem sogenannten faktischen Arbeitsverhältnis stehen.

Erfüllen muss den Zeugnisanspruch der Arbeitgeber. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung muss der Verleiher das Zeugnis ausstellen und ggf. infolge mangelnder eigener Kenntnis sich bei dem Entleiher schlau machen und dort Auskünfte zur inhaltlichen Darstellung einholen, um das Zeugnis ordnungsgemäß zu errichten. Bei einem verstorbenen Arbeitgeber müssen dessen Erben den Zeugnisanspruch erfüllen und ggf. durch Befragungen von Mitarbeitern oder aufgrund vorhandener Unterlagen im Betrieb das Zeugnis erstellen. Geschuldet wird das Zeugnis bei Beendigung. Es ist ohne weitere Aufforderung als einfaches Zeugnis und somit ohne besonderes Verlangen zu erstellen. Die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses setzt ein vorheriges Verlangen des Arbeitnehmers voraus.

Neben dem Endzeugnis kann der Arbeitnehmer auch ein Zwischenzeugnis verlangen, jedenfalls wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Als Grund werden z. B. anerkannt, eine vom Arbeitgeber in Aussicht gestellte Kündigung, der eigene Stellenwechsel, Änderungen im Arbeitsbereich, die Versetzung, Wechsel der Vorgesetzten, Insolvenz, Bewerbungen, Fort- und Weiterbildungen, längere Arbeitsunterbrechung infolge Elternzeit, zur Vorlage bei Gerichten, Behörden und für Kreditanträge.
Der Arbeitnehmer kann jedoch auch ohne Darlegung eines besonderen Grundes ein Zwischenzeugnis verlangen und kann dies ggf. bei einer Weigerung des Arbeitgebers gerichtlich einklagen. Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben muss, sich über einen beruflichen Wechsel Gedanken zu machen und dafür seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuschätzen. Um dies durch entsprechende Bewerbungen antesten zu können, bedarf er eines Nachweises über seine bisherigen Leistungen und sein persönliches Verhalten in bestehenden und vorherigen Arbeitsverhältnissen. Insoweit hat der Arbeitgeber keinen Anspruch darauf, die Gründe offengelegt zu halten, wenn der Arbeitnehmer um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses bittet. Dabei kann der Arbeitnehmer auch einen Entwurf übermitteln, der für den Arbeitgeber natürlich nicht bindend ist, bei entsprechend sachgerechter Abfassung dazu führen kann, dass der Arbeitgeber aus Gründen der Arbeitserleichterung den vorformulierten Text ganz oder zum Teil übernimmt.

Wegen der Außenwirkung des Zeugnisses müssen die äußere Form, Wortwahl etc. den im Geschäftsverkehr üblichen und von Dritten auch erwarteten Gepflogenheiten entsprechen (maschinenschriftlich auf dem üblichen Geschäftspapier erstellt, keine Flecken, Streichungen oder Textfehler etc.). Das Zeugnis muss sprachlich klar und verständlich formuliert sein darf, also keine Formulierungen enthalten, die etwas anderes zum Ausdruck bringen, als tatsächlich gemeint ist.

Das qualifizierte Zeugnis enthält eine Leistungsbeurteilung, die sich an der Arbeitsaufgabe und ihren Anforderungen zu orientieren hat und Aussagen über das körperliche und geistige Leistungsvermögen enthält, die Arbeitsqualität und Fachkenntnisse darstellt, aber auch Ausdrucksvermögen, Durchsetzungsfähigkeit und Entscheidungsbereitschaft. Soweit das qualifizierte Zeugnis auch Aussagen zum Verhalten des Arbeitnehmers macht, ist damit das Sozialverhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Dritten (Kunden) gemeint.

Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten. Wesentlich ist das, was für die Beurteilung von Bedeutung und für einen künftigen Arbeitgeber von Interesse ist. Einmalige Ausrutscher gehören nicht in das Zeugnis. Weder Wortfall noch Satzstellungen dürfen dazu führen, dass beim Leser und künftigen Arbeitnehmer Vorstellungen entstehen, die der Wahrheit nicht entsprechen. Angaben zum Gesundheitszustand gehören grundsätzlich nicht ins Zeugnis.

Aufgrund der Bedeutung des Arbeitszeugnisses und der möglichen Fallen bei bewußt oder unbewußt „unglücklichen“ Formulierungen ist es angezeigt, sich zuvor einen Zeugnisentwurf geben zu lassen, jedenfalls das Zeugnis fachkundig prüfen zu lassen. Vertrauen ist gut, Anwalt ist besser.

Der Zeugnisanspruch unterliegt tariflicher Ausschlußfristen. Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses kann zudem schon vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist verwirkt sein, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Umstände des Einzelfalls und des Zeitablaufs nicht mehr damit rechnen mußte, dass der Mitarbeiter ein Zeugnis verlangt.

Im Zweifel gilt: Prüf, was klar ist, schreib, was wahr ist.

 

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Dr. Frank-Walter Hülsenbeck
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mediator
Tel. (0331) 620 30 60

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