Seit 2018 stehen sich eine Muslimin, die das islamische Kopftuch trägt, und eine Gesellschaft, die Sozialwohnungen verwaltet in einem Rechtsstreit gegenüber. Die Muslimin wurde für die Bewerbung auf ein Praktikum nicht berücksichtigt, weil sie während des Gesprächs angegeben hatte, sie weigere sich, ihr Kopftuch abzunehmen und der in der Arbeitsordnung des Unternehmens niedergelegten Neutralitätspolitik nachzukommen. Der Europäische Gerichtshof hatte nun darüber zu entscheiden, ob das sichtbare Tragen eines religiösen Zeichens, wie etwa eine entsprechende Kopfbedeckung, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstelle. Dies verneinte der Gerichtshof. Eine in einer Arbeitsordnung niedergelegte Neutralitätspflicht stelle keine unmittelbare Diskriminierung dar, wenn die Bestimmung allgemein und unterschiedslos angewandt wird. Das Gericht wies aber darauf hin, dass der bloße Wille eines Arbeitgebers, eine Neutralitätspolitik zu betreiben, nicht automatisch eine – mittelbare – Ungleichbehandlung wegen der Religion rechtfertige. Es müsse vielmehr ein wirkliches Bedürfnis des Arbeitgebers festgestellt werden, eine Neutralitätspolitik zu betreiben. Insoweit bleibe es den nationalen Gerichten nicht verwehrt, im Rahmen der Abwägung widerstreitender Interessen denen der Religion und denen der Weltanschauung größere Bedeutung beizumessen, als der unternehmerischen Freiheit (EuGH, Urteil vom 13.10.2022 – C-344/20-L. F. ./. S. C. R. L.).