Grundstücke stehen zueinander vielfach in einer besonderen Belastungssituation dadurch, dass vor vielen Jahren, manchmal vor Jahrzehnten, der Eigentümer des einen Grundstücks auf das Grundstück des anderen Eigentümers bauliche Anlagen (egal in welcher Form) überbaut hat. Dass das Eigentumsverletzungen bzw. Beeinträchtigungen auf der Nutzungsmöglichkeit des belasteten Grundstücks zur Folge hat, ist völlig klar. Dennoch gibt es vielfach Situationen, in denen dieser Überbau für das belastete Grundstück des Nachbarn hinzunehmen ist. Vor allem dann, wenn Grundstücksgrenzen nicht ersichtlich sind, insbesondere Grenzsteine nicht mehr existieren, oder sogar Grundstücke unvermessen zueinander stehen, kann § 912 BGB dazu führen, dass es dauerhaft bei dem Überbau verbleibt. Nur sofern Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann es sein, dass sich der überbauende Nachbar nicht auf die Schutzvorschrift des § 912 BGB berufen kann. Leichte Fahrlässigkeit dagegen schadet ihm nicht. Aber selbst dann, wenn der überbauende Nachbar wissentlich und willentlich, d. h. vorsätzlich überbaut hat oder grob fahrlässig war, kann es sein, dass sich der Eigentümer oder Neueigentümer des benachbarten Grundstücks nicht auf die grundsätzliche Pflicht zur Beseitigung des Überbaus seines schuldhaft handelnden Nachbarn berufen kann. Im Übrigen sind auch Fälle denkbar, wo überhaupt keiner mehr sagen kann, wie es überhaupt zu dem Überbau gekommen ist bzw. weshalb und warum diese Last für das Grundstück entstanden ist, dies vor allen Dingen in Fällen, in denen über Jahrzehnte hinweg Überbausituationen vorherrschen. Greift § 912 BGB z. B. deswegen nicht, weil sich der überbauende Nachbar, der insofern darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht entlasten kann, kann es dennoch sein, dass er sich auf § 242 und darin den Tatbestand der Verwirkung berufen kann. Dies vor allen Dingen in Fällen jahrzehnterlanger Überbaunutzung, in denen der belastete Eigentümer dagegen nichts unternommen hat. Dies ist immer eine Einzelfallfrage, wo alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden müssten, allein die Zeitdauer einer Überbausituation muss nicht zwingend zur Duldung des Nachbarn führen. Dieser Themenkreis ist äußerst kompliziert und bedarf rechtsanwaltlicher Auswertung und ggf. einer gerichtlichen Überprüfung.