Reden ist Silber – Schweigen ist Gold! Whistleblowing und Kündigungsschutz

Whistleblowing und Kündigungsschutz stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, dessen sich jeder Arbeitnehmer bewusst sein sollte. Unter dem Begriff Whistleblowing versteht man umgangssprachlich das Verpfeifen oder Anschwärzen einer Person. Im Arbeitsrecht steht der Begriff im weitesten Sinn für das an die Öffentlichkeit bringen von tatsächlichen oder behaupteten Missständen in Betrieben. Dies kann durch kritische Äußerungen, Beschwerden oder Anzeigen eines dort abhängig Beschäftigten geschehen. Früher hielt man solche Anzeigen für einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Treuepflicht gegen den Arbeitgeber und damit für einen Kündigungsgrund. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat jüngst mit Urteil vom 16.02.2021, Beschwerdenr. 23922/19, dazu eine überraschend entsprechend restriktive Entscheidung gefällt. Der Sachverhalt spielt im Staat Liechtenstein. Der stellvertretende Chefarzt einer Klinik stellte fest, dass 10 Patienten in dem 34-Betten-Krankenhaus kurz nach der Abgabe von Morphin gestorben waren. Eine medizinische Indikation war für ihn nicht erkennbar. Der Arzt verdächtigte seinen Vorgesetzten und erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Nach krankenhausinternen Untersuchungen waren die Patienten aber palliativ im Einklang mit WHO-Standards behandelt worden. Der Verdacht der aktiven Sterbehilfe stellte sich als unbegründet heraus. Das Strafverfahren gegen den Chefarzt wurde eingestellt und der Anzeigende außerordentlich gekündigt. Der EGMR urteilte, die Kündigung sei rechtens gewesen! Dazu prüfte das Gericht sechs Kriterien: 1. öffentliche Interessen an den Informationen, 2. die Authentizität der Informationen, 3. Möglichkeiten, die Missstände zunächst Vorgesetzten oder anderen zuständigen Stellen zu melden, 4. etwaige Schäden für den Arbeitgeber, 5. die Motive des Whistleblowers und 6. die Schwere und Konsequenzen der verhängten Sanktion. Vor deutschen Gerichten kann sich der Beschäftigte auf das grundrechtlich und rechtsstaatlich verbürgte Strafanzeigerecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG berufen, dass ihn vor außerordentlichen Kündigungen schützt, wenn die Anzeige nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben enthält. Im Zweifel: Anwalt fragen!

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